Diese Rubrik ist für unsere fachlich „vorbelasteten“ Leser aus dem Kreise der Juristen gedacht und weniger für „Otto-Normalverbraucher“.
Die Redaktion
Aktuelle Rechtsprechung
Erheblich nachteiliger Gebrauch durch unsachgemäßen Kücheneinbau (OGH 23.10.2015, 6 Ob 192/15a) - § 30 Abs. 2 Z.3 MRG:
SVH: Einbau einer Küche durch Mieter in Eigenregie. Reaktion auf Beschwerden der Mieter darunter liegender Wohnungen nur durch Stellen eines Kübels unter das Waschbecken. Erst nach vier Jahren reparaturversuch in Eigenregie durch Montage ungeeigneter Armaturen. Darunter liegendes Gewölbe füllte sich mit Wasser. Schwerer Wasserschaden. Keine Reaktion des Mieters auf Aufforderung des Vermieters.
OGH: völlig unzureichende Reaktion des Mieters auf Wasserschaden. Bewusste Aufrechterhaltung eines substanzgefährdenden Zustandes durch den Mieter. Kündigung bestätigt.
Konkludenter Mietvertragsabschluss (OGH 31.08.2015, 6 Ob 52/15p) - § 863 ABGB:
SVH: Beklagte ist Untermieterin. Klägerin (=Eigentümerin) kündigt ihren Hauptmietvertrag mit dem Hauptmieter und fordert die Untermieterin zur Räumung auf. Angebot der Klägerin an die Beklagte auf Abschluss eines befristeten Mietvertrags wird von der Beklagten abgelehnt. Klägerin stellt der Beklagten für August 2010 Benützungsentgelt in Rechnung. Beklagte leistet keine Zahlung. Ab Oktober 2010 bezahlt die Beklagte ein geringeres Benützungsentgelt als „Miete“. Klägerin begehrt wiederum Benützungsentgelt und erklärt vorsichtshalber Vertragsauflösung nach § 1118 ABGB. Vorgang wiederholt sich im Oktober 2011. Räumungsklage April 2012.
OGH: kein schlüssiger Abschluss eines Mietvertrags. Beklagte durfte aus der Entgegennahme der als Miete titulierten Zahlungen nicht zweifelsfrei schließen, dass die Klägerin mit ihr einen Mietvertrag schließen wollte. Klägerin hat ihren Rechtsstandpunkt wiederholt klar zum Ausdruck gebracht und stets höheres Benützungsentgelt verlangt. Daher Erklärung nach § 1118 ABGB und späte Räumungsklage irrelevant. Keine „widerspruchslose Entgegennahme der Zahlungen“. (Offensichtlicher Dissens aufgrund widersprechender Willenserklärungen).
Rügepflicht als Voraussetzung für Mietzinsminderungsansprüche? (OGH 14.10.2015, 3 Ob 185/15z) - § 1096 ABGB:
SVH: Beklagte vermietet ihrer rollstuhlfahrenden Schwester eine behindertengerechte Wohnung. Die Wohnung wird vor Vertragsabschluss genau besichtigt. Die Wohnung entspricht nicht den Normen einer behinderten/barrierefreien Wohnung. Mieterin begehrt Minderung des Mietzinses.
OGH: hat Mieter den Vertrag in Kenntnis des bestehenden mangels ohne Vorbehalt geschlossen, gibt es keine Zinsbefreiung. Dann wird die (teilweise) Unbrauchbarkeit des Bestandobjektes Vertragsbestandteil. Leistung des Vermieters ist dann vertragskonform; Rüge des mangels durch Mieter in diesem Fall irrelevant. Aufhebung zur Verfahrensergänzung.
Widmungsänderung des WE-Objektes durch Nutzung als Tagesmutter? (OGH 19.05.2015, 5 Ob 53/15b) - § 523 ABGB, 5 Ob 53/15b:
SVH: Wohnungseigentümerin betreut in ihrer ETW neben eigenem Kind sechs Pflegekinder, um zwei mehr als behördlich erlaubt.
OGH: keine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Wohnungseigentümer; immer noch Nutzung als Wohnung; Überschreitung der behördlich bewilligten Höchstzahl schadet nicht.
Zur missbräuchlichen Rechtsausübung bei einem Unterlassungsanspruch trotz jahrelanger Duldung (OGH 25.09.2015, 5 Ob 173/15z) - § 16 Abs. 2 WEG; § 364 Abs. 2 ABGB, § 1295 ABGB:
SVH: Trittschallproblem zwischen Wohnungsnachbarn im WE. Klage erst sechs Jahre nach ersten Gesprächsversuchen; Anbot der Sanierung auf eigene Kosten; Fehlschlagen des Sanierungsversuchs der Eigentümergemeinschaft, scheitern weiterer Versuche am Widerstand des störenden Wohnungseigentümers.
OGH: Missbräuchliche Rechtsausübung nicht nur bei ausschließlichem Schädigungszweck, sondern wenn das unlautere Motiv das lautere Motiv eindeutig überwiegt oder ein krasses Missverhältnis zwischen den beeinträchtigten und den verfolgten Interessen vorliegt. Ein Nachbar, der sich über Jahre oder Jahrzehnte gegen sich steigernde Immissionen nicht gewehrt hat, muss diese dulden, weil die Ortsüblichkeit nach der gestiegenen Intensität der Immissionen zu messen ist. Eine solche Duldung liegt hier aber nicht vor.
Eventualmaxime im Kündigungsverfahren (OGH 27.08.2015, 1 Ob 112/15z) - § 33 Abs. 1 Satz 3 MRG:
SVH: Kläger kündigt wegen erheblich nachteiligen Gebrauchs; in der Aufkündigung stützt er sich auf die Verweigerung des Zutritts zur Wohnung; später trägt er vor, er habe bei Besichtigung der Wohnung deren Vermüllung festgestellt.
OGH: dies ist im Rahmen des geltend gemachten Kündigungsgrundes unschädlich. Dies gilt aber nicht, wenn sich der Kläger in der Kündigung auf einen bestimmten Lebenssachverhalt abschließend berufen hat und dann einen erst später wahrgenommenen neuen Sachverhalt vorträgt.
Kritik: Eventualmaxime ist zwingendes Verfahrensrecht. Vermieter muss in diesem Fall neu kündigen, was zu einer Verdoppelung des Verfahrensaufwandes führt. Zeitdruck des Vermieters bei Kündigung wird nicht angemessen berücksichtigt.